Bereits ein flüchtiger Blick in die Ausstellung im o. T. lässt erahnen, dass Monika Dillier eine breite
Medienvielfalt – Malerei, Zeichnung, Video, Collage, Fotografie, Glasobjekte – in ihrem
künstlerischen Schaffen einsetzt und ausserdem in Wandinstallationen zusammenführt. SELMAS
ATEMPENDEL IST MATILDAS GARTEN lautet der Titel ihrer Präsentation. Poetisch, beinahe
surrealistisch mutet er an und auch nach mehrmaligem Lesen erschliesst sich kein eindeutiger Sinn.
Soviel sei gesagt, Monika Dilliers Titel kristallisieren sich während dem Entstehungsprozess von
Werken sowie Ausstellungen heraus und werden teilweise ebenfalls zur Zeichnung. Sie beziehen sich
somit auf bestimmte Dinge, Begebenheiten, oder Geschehnisse und sind keine losgelösten, abstrakten
Gebilde. Vielleicht werden bereits beim Betrachten der Auftaktarbeiten zu ihrem Raum – ein
fotografisches Abbild einer goldenen mit exotischen Früchten gefüllten Schale und ein kurzes Video –
erste Assoziationen geweckt?
Der Beginn von Monika Dilliers künstlerischer Karriere war geprägt von der Bewegung der Neuen
Wilden, die Anfang der 1980er-Jahre zu einer figurativen Malerei zurückkehrt und mit ihren
subjektiven Bildinhalten in heftigen Pinselstrichen und kräftiger Farbigkeit eine Gegenreaktion auf die
damals vorherrschenden Werke minimalistischen, oder konzeptuellen Ursprungs bildete. Bis heute
bleibt das individuelle Empfinden Monika Dilliers künstlerischer Antrieb. Die Gewissheit, dass der als
beinahe ohnmächtig empfundene Widerspruch in der Welt – eine Gleichzeitigkeit von Freude,
Faszination einerseits, Entsetzen, Grausamkeit andererseits – nicht aufzulösen ist, lässt die Künstlerin
diesen immer wieder von Neuem formulieren.
Wie organisch gewachsen erscheinen die wandfüllenden Installationen, die Monika Dillier spezifisch
für den Ort aus OEuvres aus unterschiedlichen Schaffensperioden erschaffen hat. An der südlichen
Stirnwand sticht besonders das Bild aus ausgeschnittenen, übereinander geklebten gelben und roten
Formen auf blauem Grund ins Auge. Dazu gesellen sich feine und in kräftigen Farben gehaltene
Aquarelle. Waagrecht über die Papiere spannt sich ein grünes Netz, das die einzelnen Arbeiten zu einer
einzigen zu vereinen scheint. Zu dieser konzentrierten Ansammlung an Werken kombiniert die
Künstlerin Stofftücher und weitere einzelne Blätter. Ähnlich ist die gegenüberliegende nördliche Wand
orchestriert. Auf einem unregelmässigen Block aus aneinandergeklebten A3-Papieren, der direkt mit
Nadeln an der Wand befestigt ist, zieht sich prominent ein Baumstamm über die gesamte Bildbreite.
Weiter bilden sich neben-, oder übereinander amorphe Elemente, menschliche Figuren, an
Höhenkurven erinnernde Linien, gottähnliche Gestalt und Landschaftsfragmente in Aquarell, oder
Bleistift ab. Linkerhand scheint sich die Zeichnung im Gewirr einer schwarzen Schnur fortzusetzen.
Auf der restlichen Wandfläche sind kleinere Bilder und aquarellierte Scherenschnitte locker verteilt.
Etwas von der Südwand in den Raum versetzt, platziert die Künstlerin eine Gruppe von farbigen,
mundgeblasenen Glasobjekten. Die Faszination für das fragile Material wird bei der Realisierung des
Kunst-am-Bau-Projekts Gläsernes Blühen (2010) im Pflegezentrum Mattenhof in Zürich geweckt und
seither regelmässig in ihrer künstlerischen Tätigkeit eingesetzt. Trotz unterschiedlicher Stofflichkeit
der einzelnen Werke wird in diesem Nebeneinander eine Verwandtschaft erkennbar, als überführe
Monika Dillier ihr Themenrepertoire von der Zweidimensionalität der Aquarelle in die
dreidimensionalen Glasarbeiten.
Vor unseren Augen breitet sich eine enorme Fülle an Inhalten, unterschiedlichsten Materialien, Farben
und Formen aus. Dieses Angebot an sinnlichen Reizen führt uns zurück zu Monika Dilliers
Ambivalenz gegenüber der Welt. Es scheint, als fordere uns die Künstlerin auf, es ihr gleich zu tun und
unseren Blick weit zu öffnen. Nicht die Fantasie, sondern Gewöhnliches wie beispielsweise der
Baumstamm, oder Unverstandenes bilden Ausgangspunkt für ihre Praxis. Zeichnen im weitesten Sinne
bedeutet für die Künstlerin das Mittel, um Eindrücke zu verarbeiten und zu transformieren. Durch die
Verlangsamung des zeichnerischen Prozesses, wie Monika Dillier selbst umschreibt «den eigenen
Gehirnwindungen nachzufahren», gelingt es ihr zu «begreifen» und den Dingen auf die Spur zu
kommen. Ein intuitiver Vorgang, der sich beim Betrachten der einzelnen Werke und Installationen
nachempfinden und erfahren lässt.
2020, Karoliina Elmer, Kunsthistorikerin